Thema verfehlt: Das Positionspapier des Handels zum RFID-Einsatz
Der Handelsverband „GS1 Germany“ stellte am Freitag, den 29.6.2006 sein „Positionspapier RFID/EPC und Datenschutz“ vor. Das Papier will „Grundsätze“ formulieren, die den Handelsunternehmen als „Richtlinie“ beim Einsatz von RFID auf Basis des sogenannten Electronic Product Code (EPC) dienen sollen. Insbesondere sollen diese bei Anwendungen beachtet werden, bei denen Verbraucher betroffen sind.
Müssen wir (wie in diesem Künstlervideo) im Supermarkt unsere Privatspäre mit Regenschirmen und Störsendern verteidigen?
GS1 formuliert darin Anforderungen der Wirtschaft an den Datenschutz, wie sie bei der Verbreitung von RFID in Zukunft für sinnvoll gehalten werden.
Während der Handelsverband noch vorgeblich um Konsensfindung bemüht, an einer durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz initiierten Arbeitsgruppe teilnahm, strickte er im Hintergrund offenbar schon an seinem einseitigen Positionspapier. Anscheinend diskutierten die übrigen Mitglieder der Arbeitsgruppe, Datenschützer, Verbraucherschützer, die Bundesministerien des Innern, für Wirtschaft und Technologie sowie für Verbraucherschutz die Risiken der neuen Technologie zu ernsthaft.
Aus der Sicht der Verbraucher ist das vorgelegte Papier wertlos. Obwohl die Verbreitung von RFID in den nächsten Jahren stark zunehmen wird und die Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte der Verbraucher auch nicht im Ansatz systematisch untersucht sind, beschränkt sich das Positionspapier auf die wortreiche Anpreisung der Vorzüge von RFID. In seinem Datenschutz-Teil beschränkt es sich auf einige verfehlte Behauptungen. Absichtsvoll naiv erscheint dabei die These, dass ein Personenbezug von RFID- Produktkennungen nur in Ausnahmefällen vorliege: nämlich dann, wenn ein Unternehmen in der Lage sei, mit seinen eigenen Daten ohne unverhältnismäßigen Aufwand einen Personenbezug herzustellen. Diese Voraussetzung wird jedoch in modernen Warenhäusern durch jede Videoüberwachung, jedes Kundenkartensystem und jede Nutzung des EPC für elektronische Kassiervorgänge erfüllt.
Die Fragwürdigkeit mancher Anwendungen der neuen Technologie werden ganz offensichtlich nicht verstanden: etwa der Einsatz von Hintergrundanwendungen und die Verknüpfungsmöglichkeiten von EPC-Seriennummern mit personenbezogenen Profilen. Vielmehr werden derartige Einsatzmöglichkeiten bereits heute von GS1 beworben. Warum beruhigt einen der unqualifizierte wie pauschale Hinweis nicht, dass die beteiligten Einzelunternehmen das Bundesdatenschutzgesetz beachten werden? Er zeigt nur deutlich, dass der Handel auch nicht ansatzweise über ein Datenschutz- und Verbraucherschutzkonzept für den Einsatz von RFID verfügt. Seiner Bringschuld gegenüber den Verbrauchern kommt er nicht nach, nämlich die klare Zusicherung zu geben, RFID nur offen, zeitbegrenzt und zweckgebunden in Konsumartikeln zu verwenden. Auch von den angekündigten Nachfolgeversionen des Positionspapiers zu zukünftigen RFID- Anwendungen sind unter diesen Voraussetzungen keine fundierten Aussagen mehr zu erwarten.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz e.V., Sönke Hilbrans, zieht Bilanz: „Die Gespräche von GS1 mit Datenschützern und Verbraucherschützern unter Beteiligung mehrerer Bundesministerien sind damit ergebnislos verlaufen. Für Verbraucher gibt es nur eine einzige sinnvolle Reaktion: Lehnen sie den Kauf von Produkten mit RFID weiterhin ab.“
Hintergrund
RFID (Radio Frequency IDentification) sind winzige Chips mit Antenne, die eine weltweit eindeutige Seriennummer enthalten und ohne Sichtkontakt aus einiger Entfernung und unbemerkt per Funk ausgelesen werden können. RFID-Chips sollen nach dem Willen von Handel und Industrie in Zukunft u.a. die Strichcodes auf den Waren ersetzen. Anders als beim Strichcode, der das Produkt nur der Art nach bezeichnet, ist mit RFID jedes einzelne Hemd und jede einzelne Packung Frischkäse über die weltweit eindeutige Seriennummer identifizierbar und kann damit Personen zugeordnet werden. RFID-Chips bringen eine neue Dimension des Datensammelns, der Überwachung und Manipulation. RFID-Chips betreffen Menschen deshalb nicht nur in ihrer Eigenschaft als Verbraucher, sondern sie können zu einer Gefahr für Bürgerrechte und Demokratie werden.
Gemeinsame Presseerklärung der DVD und des FoeBuD e.V.
2006-06-29 10:06