RFID in Textilien – Fragen und Antworten auf Irrtümer und Gerüchte
RFID-FAQ des FoeBuD e.V.
Stand: 21. Januar 2012
Seit dem Jahr 2003 beschäftigt sich der FoeBuD kritisch mit dem Thema RFID, auch Schnüffelchips genannt oder Myfare, Smart Tags, Near Field Communication (NFC) etc. 2003 bekam die Metro AG von uns einen der unbeliebten BigBrotherAwards, weil sie in ihrem EXTRA FUTURE STORE unkritisch den Einsatz von RFID  verfolgten. Im Jahr 2004 zwangen wir die Metro AG, sämtliche Payback-Karten des Supermarkts (die sämtlich mit einem heimlich eingebrachten RFID-Chip versehen waren) auszutauschen. Ein entsprechender Rollout der von uns Schnüffelchips genannten RFID wurde eingestellt. Im Jahr 2010 begann der Modekonzern Gerry Weber, Kleidung mit eingenähten RFID-Chips auszuliefern. Dazu gab es 2011 eine Erwähnung bei den BigBrotherAward; der eigentliche Hauptpreis ging an die Modefirma Peuterey Hiergegen machten wir im Januar 2012 mobil – mit anhaltendem Erfolg . Denn die Menschen sind entsetzt, wenn sie durch Dritte (also uns und die Medien) erfahren müssen, dass ihnen jemand quasi eine "Spionage-Wanze" untergejubelt hat.
Im Zuge dieses Erfolgs unserer Kritik entstehen einige Ungereimtheiten und Mythen, die wir in diesem FAQ gerade rücken wollen. Grundlegendes finden Sie auch in unserem FAQ aus dem Jahre 2006 .
Wer Unsauberheiten (nicht nur auf unserer Website, sondern auch an anderen Stellen im Netz) findet, die mit beachtet werden sollten, möge uns eine Mail an StopRFID@foebud.org  senden.
to be continued
1 RFID des Jahres 2003 oder RFID des Jahres 2012 – wo ist der Unterschied?
Im Jahre 2003 haben wir uns insbesondere mit den RFID-Chips beschäftigt, die von der Metro AG eingesetzt worden sind. Diese sendeten auf der Frequenz 13,56 MHz. Heute finden sich diese (bzw. ähnliche) Chips vor allem in Ausweisdokumenten. Sie waren über recht kurze Entfernung auslesbar (innerhalb der legalen Spezifikationen je nach Lesegerät 10 cm bis 1,50 Meter; bei illegalen Lesegeräten auch weit darüber hinaus). Es war nicht nur der Protest der weltweiten Datenschützer, die diese RFID verhindert haben, sondern die Technik war zu schlecht, um wirklich den gewünschten Einsatzzweck erfüllen zu können.
Der Unterschied zu den Chips der Bekleidungsindustrie ist, dass diese weitaus effizienter sind und weitaus höhere Reichweiten haben. Die Firma Alien Technologies spricht von bis zu 12 Metern Reichweite. Wir haben mit unserem Lesegerät zumindest 8 Meter erreichen können.
2 Welches Lesegerät benutzt Ihr und wo kann man das kaufen?
Wir nutzen ein Gerät, das uns die Firma Kryptronic zur Verfügung gestellt hat. Das Gerät wird nicht an Endkunden, sondern nur an Firmenkunden verkauft. Es kostet ca. 2.000 Euro.
3 Warum geht Ihr so scharf gegen Firma Gerry Weber vor? Andere Firmen nutzen RFID doch auch?
So scharf sind wir gar nicht. Im Gegenteil. Wir sind schon seit langer Zeit mit der Firma, speziell deren IT-Leiter Herrn von Grone, im Gespräch. Im Jahr 2011 hat auch nicht die Firma Gerry Weber einen BigBrotherAward bekommen, sondern die Firma Peuterey , die Chips völlig versteckt und heimlich in Kleidung einbaut. Gerry Weber hatten wir noch eher lobend erwähnt. Sind aber schwer enttäuscht worden.
Denn Gerry Weber weigert sich nach wie vor, Chips an der Kasse (bzw. im Versandhandel vor dem Versand an die Kundin oder den Kunden) physisch zu entfernen. Somit laufen tausende von Kundinnen und Kunden ahnungslos durch die Gegend und wissen gar nicht, dass sie quasi eine Ortungswanze in ihrer Kleidung tragen.
Auch die Kundeninformation ist komplett anders, als es uns von Gerry Weber zugesagt wurde: Nur in den Läden, die bereits Lesegeräte installiert haben, gibt es eine (leider auch kaum sichtbare) Kennzeichnung und haben die Kunden die Möglichkeit, eine Infobroschüre zu erhalten.
Das Problem, das viele Geschäftsleute nicht sehen wollen: Es geht nicht nur um den Umgang, den *sie* mit RFID-Chips pflegen, sondern darum, dass eben auch ganz andere Leute, die in der Gegend herumvagabundierenden Chips auslesen können.
4 Wer setzt noch alles Schnüffelchips in Kleidung ein?
Gerry Weber und Peuterey sind nicht die einzigen, die Schnüffelchips einsetzen. C&A hat 2010 verkündet, konzernweit Source Tagging einzuführen (Anbringung von sogenannten EAS-Elementen beim Produzenten) und dabei gleichzeitig die Prozesse auf RFID vorzubereiten. Dann soll RFID auch bei Lemmi und Seidensticker kommen (oder schon passieren, so genau haben wir das derzeit nicht recherchiert). s.Oliver wollen bis 2014 flächendeckend RFID einführen .
5 Was war das für eine Sprechblase, die Ihr bei der Aktion vor dem Gerry Weber Laden eingesetzt habt, um die ausgelesenen Chips anzuzeigen?
Hier handelt es sich ein Kunstwerk namens "Chat", das der Künstler Aram Bartholl uns für diese Aktion überlassen hat. Mehr findet sich auf seiner Website: www.datenform.de/chat Â
6 Überstehen die Chips die Wäsche? Wenn nein, ab wieviel °C?
Angeblich überleben die nur Chips 3 Wäschen oder 2 Reinigungen. Danach seien sie kaputt.
Nun, bei Jacken oder Mänteln, die eher selten in die große Wäsche kommen, sind das dann auch noch Laufzeiten für Chips, die jenseits von Gut und Böse sind. Wir werden aber mal eine kleine Versuchsreihe aufbauen und nachprüfen, was von diesen Aussagen zu halten ist. Herr von Grone von der Firma Gerry Weber will uns einen Stapel Chips zum Testen schicken.
Auf dem Blog "Opalkatze" fanden wir schon mal einen Hinweis auf die Temperaturspezifikation, innerhalb derer RFID-Chips funktionieren. Ob das für die "Wäschefrage" wichtig ist, sei mal dahin gestellt...:
"The typical operating temperature for an RFID inlay (tag) found in most smart labels is between -25º C and 70º C. Storage temperature typically is between -40 º C and 85º C. These values will vary from manufacturer to manufacturer and will depend on the tag’s components. There are industrial tags available in the market that will withstand temperatures as high as 250º C, which could, for example, stand up to heat sterilization requirements for medical items."
Quelle:Â http://www.zebra.com/id/zebra/na/en/index/rfid/faqs/rfid_tag_characteristics.html
Und auch die Frage nach der Temperatur beantwortete Herr von Grone im Blog "Opalkatze": "Die Chips werden beim Waschen nicht durch die Temperatur, sondern mechanisch zerstört. Ein Waschgang knickt die Antenne, und es dringt Wasser unter den Aufkleber, so dass der Chips nicht mehr auf der richtigen Frequenz sendet und empfängt."
Hm. Dann werden wir für die Tests nicht die besonders schonend waschende Maschine der Firma Miele nehmen, sondern eine der Firma Siemens...
7 Mein RFID-Chip hat in einem anderen Laden den Diebstahl-Alarm ausgelöst
Das kann passieren – aber es handelte sich vermutlich nur um einen "RF-Chip". Diese Chips beinhalten noch keine Id (also Seriennummer), sondern haben quasi nur ein Bit: "aktiv" oder "nicht aktiv". Das ist eine einfache elektronische Warensicherung (EAS), zwar schon auf den Frequenzen und mittels RFID-Technik, aber wesentlich weniger gefährlich, als "richtige Schnüffelchips".
Auch in Lebensmittelmärkten finden sich solche Chips: Auf teureren Artikeln, wie Alkohol, Tabak etc.
Es kann viele Gründe geben, warum eine solche Warensicherung anspricht. Als wir in grauer Internet-Vorzeit mit unserem kleinen Aktenkoffer voll Elektronik, Kabeln und Netzteilen herumliefen, fühlten sich Warensicherungssysteme davon regelmäßig gestört. Wir haben dadurch gelernt, Warensicherungsanlagen komplett zu ignorieren.
8 RFID zerstören
Falls man Chips nicht rausschneiden kann (z.B. bei Jacken der Marke Peuterey): Wie zerstört man RFID-Chips?
Bei kleineren Gegenständen (z.B. einem Schal) kann man das schnell mit einer Mikrowelle erledigen. Gegenstand hineinlegen, kurz (sehr kurz!) einschalten – und der Chip wird nur noch in den ewigen Jagdgründen weiter schnüffeln.
Achtung: Nicht zu lange einschalten, sonst gibt's Brandflecke und es riecht verschmort.
Bei Mänteln wird die Mikrowelle nicht groß genug sein. Hier erinnern sich noch manche an den sogenannten RFID-Zapper. Hier haben zwei Berliner Hacker eine Fuji-Einmalkamera so umgebaut, dass man damit RFID-Chips "killen" kann.  Es gibt eine weitere Seite, die das noch etwas smoother beschreibt ...
Wir haben versucht, aus dieser Idee einen kleinen professionellen RFID-Zapper zu entwickeln – und mußten die Segel streichen. Der Umgang mit Hochfrequenz und entsprechenden Stromstärken bringt viele Probleme mit sich. Wir haben das Projekt eingestellt.
Und so bleibt: Wenn Ihnen eine Produkt mit einem Schnüffelchip untergejubelt wird: Reklamieren sie es, geben Sie es zurück und bestehen Sie auf die Erstattung des Kaufpreises.
Irrtümer und Falschdarstellungen
Die Technik "RFID" ist recht komplex. So sind Artikel in den Medien (auch Blog und Kommentaren) verständlicher Weise nicht immer ganz korrekt, was die genaue Darstellung der Technik und der politischen Strömungen dazu betrifft. Das eine oder andere, was uns auffällt oder zugetragen wird, stellen wir an dieser Stelle gerne richtig.
Januar 2012
Das Hamburger Abendblatt berichtete in ihrem Lokalteil für Pinneberg – so kann man es zumindest herauslesen –, dass die Chips dauernd senden würden. Das ist nicht der Fall. Die Chips senden nur in der Nähe von Lesegeräten – denn sie beziehen von den Lesegräten drahtlos Strom durch Induktion, den sie benötigen, um die auf ihnen gespeicherte Nummer senden zu können. Je mehr sich also Lesegeräte verbreiten, desto häufiger werden die Chips ausgelesen.
Weiterhin berichtete die Zeitung, dass Etiketten in Jacken, auf denen zu lesen ist "don't remove this label" nun gegen fest eingenähte und heraustrennbare Etiketten ersetzt worden sind. Das ist falsch. Die Firma Peuterey versteckt weiterhin Chips an (nach eigener Aussage) verschiedenen Stellen ihrer Jacken. Die Firma Gerry Weber hat dagegen nie mit versteckten Chips gearbeitet.
padeluun
cc-by-sa
2012-02-12 23:37