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Sicherheit geht vor Sammelwut

Mit diesem provokativen Titel antwortet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in seinem neuesten Bericht den Versuchen von Bundesinnenminister de Maizière und BKA-Präsident Ziercke, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Die Vorratsdatenspeicherung wurde erst im März vom Verfassungsgericht in Karlsruhe gekippt. Die naheliegende Frage lautet deshalb: Wann beginnt Berlin auf Karlsruhe zu hören?

Erinnern wir uns: Vor einem halben Jahr hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt und zwar in aller Deutlichkeit. In der bisherigen Ausgestaltung sei die Vorratsdatenspeicherung weder verhältnismäßig noch gebe es konkrete Angaben, was mit den gespeicherten Daten geschehe. Das Urteil bestätigte Bürgerrechtler in ihrer grundsätzlichen Ablehnung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung. Doch es dauerte nicht lange, bis CDU/CSU-nahe Regierungskreise in Berlin eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung auf den Tisch brachten.

Erst im Sommer hatte BKA-Präsident Ziercke dem Deutschlandradio erklärt, dass es durch das Fehlen der Vorratsdatenspeicherung eine Sicherheitslücke gäbe. Angela Merkel beklagte gar ein "absolutes Vakuum", das durch das Karlsruher Urteil entstanden sei. Um die Debatte neu anzuheizen, hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) einen vertraulichen Bericht beim BKA in Auftrag gegeben. Das Ergebnis erfolgte prompt und landetete auf bislang ungeklärten Wegen bei der "Welt". Laut dem Bericht blieben zahlreiche Verbrechenaufgrund der fehlenden Vorratsdatenspeicherung unaufgeklärt.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung widerspricht. In einem aktuellen Bericht kommt er zu einem ganz anderen Ergebnis. Anhand konkreter Beispielsfälle zeichnet er ein dramatisches Bild der Zeit, zu der in Deutschland jede Telefon- und Internetverbindung festgehalten werden musste: Die "Vorratsdatenspeicherung" habe Korruption begünstigt, die Wissenschaft gestört, Arbeitsplätze gekostet, politische Kritiker abtauchen lassen, zur Verfolgung Unschuldiger geführt, Datenmissbrauch ermöglicht und die Ermittlung von Straftätern verhindert.

Auch der Bielefelder Polizeirechtler Christoph Gusy widerspricht den Darstellungen des Bundesinnenminister bzw. des BKAs. Gegenüber der taz bezeichnete er de Maizières Vorgehen als "Teil eines sehr durchschaubaren politischen Manövers". Und dennoch - die geschlossene Lobbyarbeit mit der in Berlin die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt werden soll, was das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verboten hat, kann nur eines bedeuten: Die Arbeit für eine lebenswerte Welt im digitalen Zeitalter geht weiter!

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Die Pressemitteilung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom 08.10.2010

Vorratsdatenspeicherung gefährdet Menschenleben!

Nach einem heute veröffentlichten Bericht von Bürgerrechtlern[1] würde die von Bundesinnenminister de Maizière und BKA-Präsident Ziercke befürwortete Erfassung aller Telekommunikationsverbindungen den Schutz von Kindern und Menschenleben gefährden: Die Nachverfolgbarkeit anonymer Anrufe bei Beratungsstellen würde verhindern, dass potenzielle Täter von geplanten Gewalttaten abgebracht werden können. Dem Bericht zufolge konnte ohne Vorratsdatenspeicherung beispielsweise ein Amoklauf in einer Schule und ein "Ehrenmord" verhindert werden - im Fall der Rückverfolgbarkeit hätten die Beinahe-Täter wohl nie die Telefonseelsorge angerufen.

Anhand konkreter Beispielsfälle zeichnet der Bericht ein dramatisches Bild der Zeit, zu der in Deutschland jede Telefon- und Internetverbindung festgehalten werden musste: Die "Vorratsdatenspeicherung" habe Korruption begünstigt, die Wissenschaft gestört, Arbeitsplätze gekostet, politische Kritiker abtauchen lassen, zur Verfolgung Unschuldiger geführt, Datenmissbrauch ermöglicht und die Ermittlung von Straftätern verhindert.

Ein aktueller Bericht des Bundeskriminalamts über die Auswirkungen des Endes der verdachtslosen Speicherung aller Verbindungsdaten im März 2010 belegt den Bürgerrechtlern zufolge keine "blinde Flecken in der Verbrechensbekämpfung". Vor Einführung der "Vorratsdatenspeicherung" sei sogar ein größerer Teil an Straftaten aufgeklärt worden als nach ihrem Inkrafttreten. Selbst wenn für vereinzelte Ermittlungsverfahren eine Erfassung aller Verbindungsdaten nützlich wäre, stünde jedem Erfolg "die Unaufklärbarkeit vieler anderer Straftaten und die Gefährdung von Menschenleben infolge einer Vorratsdatenspeicherung gegenüber". Insgesamt betrachtet sei eine anlass- und verdachtslose Aufzeichnung jeder Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindung "für die Strafverfolgung nutzlos und völlig unverhältnismäßig".

"CDU und CSU haben sich mit ihrer sturen, politisch nicht durchsetzbaren Extremforderung nach einer Erfassung jeder Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindung verrannt", kommentiert Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. "Mit ihrer starrsinnigen Ablehnung und Verschleppung wirklich sinnvoller Verbesserungen ist es in Wahrheit die Union selbst, die die Ermittlung von Straftätern behindert. Im Internetzeitalter müsste sich die Polizei ganz neu organisieren mit Spezialdienststellen für Computerdelikte, der Ausbildung von Computerkriminalisten und Verfahren zur schnellen Sicherung flüchtiger Daten, die auch grenzüberschreitend funktionieren. Zur Verhütung von Identitätsdiebstahl müsste vor allem dringend die Verfügbarkeit persönlicher Daten für Straftaten reduziert werden. Wer dagegen Datenskandalen Vorschub leistet und die anonyme Beratung von Menschen in Not verhindert, gefährdet unsere Sicherheit und handelt unverantwortlich."

Nach einer Infas-Umfrage lehnen rund 70% der Bundesbürger eine anlasslose Erfassung sämtlicher Telefon-, Handy-, E-Mail- und Internetverbindungen ab.[2]

Weitere Informationen:

Fußnoten:

Diese Pressemitteilung im Internet: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/390/79/

Ãœber uns:
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, die sich in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen die ausufernde Überwachung im Allgemeinen und gegen die Vollprotokollierung der Telekommunikation und anderer Verhaltensdaten im Besonderen einsetzen.

Press release of 8 October 2010 by the Working Group on Data Retention

Communications data retention puts human lives at risk!

According to a report published by German civil liberties activists today, the registration of every telecommunication puts the protection of children and human lives at risk. Traceability of anonymous calls to crisis lines frustrates their work in persuading potential perpetrators not to commit violent crimes. The activists report that anonymous German crisis lines were, for example, able to avert a school shooting and an honour killing - had these calls been traceable, the potential perpetrators would probably never have contacted the councellors in the first place.

Giving specific examples, the report paints a dire picture of the consequences of the registration of every phone call and Internet connection in Germany: This "data retention" policy is reported to have advantaged corruption, endangered scientific research, caused unemployment, made political critics go underground, promoted the abuse of personal data and frustrated the prosecution of crime.
Earlier this year, the Federal Constitutional Court of Germany declared unconstitutional und void the law requiring the recording of who communicated with whom via various electronic communications systems (data retention), thus ending the practise in Germany.

According to today's report, the German police actually cleared a greater share of crime before the law came into effect. Even if one investigation or another was facilitated by collecting all call details, the policy is said to have frustrated many other investigations and put human lives at risk. All in all, a blanket and indiscriminate recording of details on every phone call, e-mail and Internet connection is found to be "useless for the prosecution of crime and totally disproportionate". European Union law is reported to allow Member States to deviate from a 2006 EU directive on data retention.

Download the report (pdf, in German only): http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Bericht_Sicherheit-vor-Sammelwut.pdf

About Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (German Working Group on Data Retention):
The Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) is a Germany- wide organisation which campaigns against extensive surveillance in general and the blanket logging of telecommunications and other behavioural data in particular.
Homepage and contact details: http://www.vorratsdatenspeicherung.de

This press release on the Internet: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/390/79/lang,en/


2010-10-11 16:21