Deutsche Kinderhilfe: Dubioser Verein sammelt Unterschriften für Internet-Sperren
Der Verein "Deutsche Kinderhilfe e.V." hatte angekündigt am 13. Mai 2009 in Rahmen eines Fußballbundesliga-Spiels der Arminia Bielefeld Unterschriften für die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornografischem Material zu sammeln. Doch die Organisation mit dem seriös klingenden Namen "Deutsche Kinderhilfe" (nicht zu verwechseln mit dem Deutschen Kinderschutzbund!) ist weniger eine karitative Unternehmung, sondern dahinter verbergen sich eine Lobby-Organisation und ein Direkt-Marketing-Unternehmen, die 3W GmbH aus Bielefeld.
Die "Deutsche Kinderhilfe e.V." ist in den letzten Jahren mehrfach wegen dubioser Spenden- und Geschäftspraktiken aufgefallen. Die Tageszeitung "Die Welt" berichtete im April 2008 von engen Verbindungen zu dem Direkt-Marketing-Unternehmen 3W GmbH aus Bielefeld und kommerziellen Interessen hinter der Gemeinnützigkeit. Als Konsequenz wurde die Deutsche Kinderhilfe e.V. 2008 aus dem Deutschen Spendenrat ausgeschlossen und ihr Landesverband in NRW verlor seine Gemeinnützigkeit.
Daten an Versicherungen weiter gegeben?
Auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz in NRW ermittelte gegen den Verein, "weil dort Fördermitglieder der Kinderhilfe für bestimmte Vorzugsleistungen ungewöhnlich viele Daten offen legen“ müssten. Es ist zu vermuten, dass diese Daten - die auch Gesundheitsinformationen enthielten - an Versicherungen weitergegeben wurden.
Hang zu zweifelhaften Machenschaften?
Mit seiner aktuellen Unterschriftensammlung zeigt der Verein offenbar einmal mehr seinen Hang zu zweifelhaften Machenschaften. Schon der Titel dieser Unterschriftensammlung "gegen Kinderpornographie im Internet" ist irreführend - denn Kinderpornografie ist auch im Internet längst verboten und unter Strafe gestellt. Tatsächlich sollen die Leute einfach den Satz "Ja, ich stimme für das Gesetz gegen Kinderpornographie im Internet ab" unterschreiben. Mehr steht da nicht.
Die Aktion der Kinderhilfe richtet sich explizit gegen die ePetition beim Bundestag, die mittlerweile von fast 80.000 Mitzeichnern unterstützt wird. Denn die von Familienministerin von der Leyen vorgeschlagenen Internetsperren sind wirkungslos. Anstatt Server mit Kinderpornografie abzuschalten, sollen sie nur blockiert werden nach dem Motto "Wenn ich es nicht sehen kann, ist es nicht passiert".
Populismus ohne jede Substanz
Dass der Verein nicht an einer Lösung der Kinderpornoproblematik interessiert ist, zeigt seine aktuelle Pressemeldung, die an Populismus kaum zu überbieten ist. "Unterstützen Sie die Kampagne 'Stop! Meine Stimme gegen Kinderpornographie' im Internet', indem Sie auf der als Anlage beigefügten Liste Unterschriften für die Sperrung kinder'pornographischer' Seiten im Netz sammeln. Es darf kein Grundrecht auf Verbreitung kinder'pornographischer' Seiten geben." heißt es beispielsweise darin [1]. So werden mal eben Bürgerrechtler, die sich gegen die unwirksamen und demokratieschädlichen Internetsperren aussprechen, mit Pädokriminellen in eine Reihe gestellt. Sachliche Argumentation und kompetente Auseinandersetzung mit dem Thema Kindesmissbrauch ist das nicht.
Der Ausschluss der Kinderhilfe aus dem Deutschen Spendenrat, die Aberkennung der Gemeinnützigkeit und die Vorwürfe der Datenschutzbeauftragten sind seit letztem Jahr bekannt. Ob Familienministerin von der Leyen weiß, von wem sie da Schützenhilfe erhält?
Immerhin: Arminia Bielefeld hat die Unterschriftensammlung im Stadion untersagt.
Fussnoten
[1] http://www.kinderhilfe.de/aktuell.php?p=anzeigen&id=189
Links:
Deutsche Kinderhilfe, Teil 1 Geschäfte unter dem Mantel der guten Taten?Deutsche Kinderhilfe, Teil 2 Jetzt werden auch die Datenschützer misstrauisch
Deutsche Kinderhilfe, Teil 3 Unterstützung von Ulla Schmidt und vielen Promis
Deutscher Spendenrat schließt Kinderhilfe aus
Arminia Bielefeld: Unterschriftenaktion nicht im Stadion
Rena Tangens, Florian Glatzner, padeluun
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18.05.2009 11:37